Zwei Vorträge über Flugblätter im 16. und 17. Jahrhundert
Wunderzeichen, Himmelszeichen, Kometen und Visionen auf Flugblättern des 16. und 17. Jahrhunderts
Abscheuliche Verbrechen, Monster, Himmelserscheinungen – nicht erst die modernen Massenmedien, sondern schon Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts verbreiteten Sensationsnachrichten. Die Umstände dieser Zeit waren besonders geeignet, die Menschen an Furcht erregende Prophezeiungen glauben zu lassen. Die Bauernkriege in Deutschland, die Kriege der protestantischen und katholischen Landesherren als Folgen der Schriften des Reformators Martin Luther, die Verunsicherung in Glaubensfragen, die Unterdrückung der Untertanen und die Zerstörung der Landschaften in diesen Glaubenskriegen ließen die Menschen erschaudern. Man glaubte, dass alle diese Missstände auf dem Zorn Gottes beruhten, der Zeichen am Himmel erscheinen ließ, um die Menschen zur Umkehr zu mahnen. In ihrem Vortrag „Wunderzeichen, Himmelszeichen, Kometen und Visionen auf Flugblättern des 16. und 17. Jahrhunderts“ erläutert Andrea Tonert (Dresden) die Tradition dieser Wunder in Gestalt von Luftzeichen, erdgebundenen Zeichen und Missgeburten unter Menschen und Tieren, aber auch eine weitere Ausdrucksform in Gestalt von Visionen und Entzückungen. Der Vortrag verdeutlicht, dass diese Phänomene weit mehr waren als Kuriosa, nämlich Ausdruck einer umfassenden Krise.
Wer nicht scheltet, nicht beißt und nicht beleidigt, der richtet nichts aus – polemische Flugschriften der Reformationszeit
Im zweiten Vortrag des Abends „Wer nicht scheltet, nicht beißt und nicht beleidigt, der richtet nichts aus – polemische Flugschriften der Reformationszeit“ zeigt Nadine Willing-Stritzke (Möst), dass die Publizistik des 16. Jahrhunderts auch gekennzeichnet war durch zahlreiche polemisch-reformatorische Flugschriften, die ein besonders sprechendes Bild der Streitkultur und Öffentlichkeit im Zeitalter der Reformation geben. Luther wusste wovon er sprach. Die derbe Sprache des Reformators spiegelt sich auf zahlreichen Titelholzschnitten wieder. So fährt der Papst in die Hölle oder wird selbst zum Teufel. Andere Gegner Luthers werden zu Katzen, Schnecken, Wildschweinen. Dem gegenüber steht der triumphierende Luther, der seine Gegner im Kräftemessen besiegt oder Ihnen das Evangelium entgegenhält um ihren Abfall vom göttlichen Wort zu entlarven. Neben den zahlreichen reformatorischen Druckschriften sind es vor allem die polemischen Druckschriften mit ihren Titelblättern, die die Auseinandersetzung zwischen der katholischen Kirche und der lutherischen Reformationsbewegung in aller Schärfe bildlich machen. Dabei bedient sich die reformatorische Seite des damals noch jungen Mediums der Drucktechnik mit beweglichen Lettern äußerst erfolgreich. Polemische Flugschriften wurden in hoher Auflage produziert und fanden eine rasche und weite Verbreitung. Dabei wirkte die satirische bildliche Darstellung der Gegner durchaus verkaufsfördernd.
Andrea Tonert und Nadine Willing-Stritzke bieten damit einen spannenden und pointierten Blick auf besondere Formen der Publizistik in der Frühen Neuzeit. Zu diesen mit Lichtbildern illustrierten Vorträgen lädt der Verein für Anhaltische Landeskunde am Donnerstag, 3. Dezember 2015, um 19.00 Uhr in das Stadtarchiv, Lange Gasse 22, ein.
Der Eintritt ist frei.