Eine Erinnerung an das BAMAG-Explosionsunglück am 18. Oktober 1918

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Granatendreherei in der BAMAG II am Kabelweg

Am 18. Oktober 1918 schreckte kurz nach drei Uhr in der Nacht eine gewaltige Explosion einen großen Teil der Bewohner Dessaus aus dem Schlaf und brachte Tod und Verderben über zahlreiche Beschäftigte der Berlin-Anhaltischen Maschinenbau AG (BAMAG) und ihre Angehörigen. Was war geschehen?

Mit Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 hatten viele Dessauer Unternehmen die Produktion von Rüstungsgütern aufgenommen oder ausgeweitet. Dazu gehörte auch die BAMAG. Der damals größte Maschinenbaubetrieb der Stadt Dessau ließ in seinem Werk II am Kabelweg, an der Süd/Ost Grenze des Werkgeländes, eine Granatenfüllstation für Artilleriemunition einrichten. Das Pulver sowie die leeren Granathülsen lieferten fremde Firmen. Im geringen Umfang wurden jedoch auch Granatkartuschen für die schwere Artillerie in der Gießerei der BAMAG gegossen und, wenn nötig, in der Zerspanungswerkstatt mechanisch bearbeitet, um dann in der Granatenfüllstation komplettiert und gefüllt zu werden. In der Füllanlage arbeiteten ca. 400 Beschäftigte, wobei die Zahl der weiblichen Beschäftigten die der männlichen weit überragte. Die Granaten wurden weitgehend manuell befüllt. Die Produktion lief täglich Tag und Nacht in zwei Schichten mit je 12 Stunden Arbeitszeit.

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Die Grabstätte der BAMAG-Opfer auf dem Friedhof III in Dessau

In der Granatenfüllstation wurde in sehr beengten räumlichen Verhältnissen, mit einfacher Ausrüstung und möglicherweise auch mit unzureichenden Sicherheitsmaßnahmen gearbeitet. Am 18. Oktober 1918 kurz nach drei Uhr kam es dann zur Katastrophe. Mit einer furchtbaren Detonation explodierte die Station. Von dem Gebäude der Granatenfüllstation blieben neben einem großen Trümmer- Schutthaufen nur die Außenmauern stehen. Eisenteile, Behälter sowie menschliche Körper und Körperteile lagen im Umkreis von 100 Metern auf dem BAMAG-Gelände und angrenzenden Feldern. Während der Unglücksschicht waren in dem völlig zerstörten Gebäude mindestens 156 Menschen tätig gewesen, insgesamt waren wohl 207 Menschen im Betrieb. 56 Leichen, meist Frauen und Mädchen, wurden von den sofort herbei eilenden Feuerwehrleuten und Sanitätskolonnen geborgen und identifiziert. 84 Arbeiterinnen und Arbeiter waren zum Teil sehr schwer verletzt. 32 Menschen wurden als „vermisst“ registriert, da sie nie gefunden werden konnten.

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Entwurf des Massengrabes für die verunglückten Mitarbeiter der BAMAG II vom Gartenbaudirektor Hans Schmidt.

Die Ursache des Unglücks ist nie bekannt gegeben worden. Der Anhaltische Staats-Anzeiger vom 19. Oktober 1918 berichtet, dass als Ursache der Explosion eine „Selbstentzündung von Schmelzmasse im Schmelzkessel“ vermutet wurde, und weiter: „Jedenfalls waren im Betrieb alle sichernden Maßnahmen getroffen und war alles in bester Ordnung, wie noch vor wenigen Tagen bei einer Revision festgestellt wurde.“ Einen Sabotageakt schloss man aus. Die geborgenen Toten sowie gefundene Körperteile von den Vermissten sind am Vormittag des 24. Oktober 1918, nur zwei Wochen vor Kriegsende, unter dem Läuten der Glocken in der Stadt und außerordentlicher Anteilnahme der Dessauer Bevölkerung in einem Massengrab im Nordwestareal des Friedhofs III beigesetzt worden. Generalsuperintendent Hoffmann, Landdechant Dane und Bürgermeister Hesse hielten von Kriegspropaganda getragene Grabreden. „Wie die Helden draußen im höchsten Dienste für das Vaterland ihr Leben ließen“, hieß es beim Generalsuperintendenten Hoffmann, sind „die vor uns im Grabe Liegenden für das Vaterland gestorben“. Einen ähnlichen Tenor hatte die Traueranzeige von Aufsichtsrat und Vorstand der BAMAG.

An der Grabstätte auf Friedhof III wurde ein Denkmal errichtet (Quartier 35), das noch heute an die Opfer des Explosionsunglücks vom 18. Oktober 1918 erinnert.