Chronik des Hotels „Goldener Beutel“

An Stelle des heutigen Wohnblocks Steinstraße 2 – 8 stand bis zum Bombenangriff des 7. März 1945 das beste Hotel der Stadt Dessau, der „Goldene Beutel“. Dieses Hotel entwickelte sich aus einem Gasthof, dessen Gasthofprivileg „Zum Goldenen Beutel“ aus dem Jahr 1744 stammte. Der Name des Gasthofs spielte auf seinen ersten Besitzer an, den Beutlermeister Martin Christian Halbrock. Der „Goldene Beutel“ erwarb sich bald einen guten Ruf, den er sich über die Zeiten und auch bei den Erben des Martin Halbrock erhalten konnte. Im „Goldenen Beutel“ traf sich das Dessauer Bürgertum. Hier herrschte Gemütlichkeit, Essen und Trinken waren gut und die Bedienung aufmerksam.

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Der Goldene Beutel – das beste Hotel der Stadt

Im Jahr 1835 entschloss sich die damalige Besitzerin Johanna Sophie Friederike Schmidt zu einem repräsentativen Neubau des Gasthofes. Über einen Mangel an Gästen konnte auch sie nicht klagen. Besonders an Wollmarkttagen um Pfingsten war der Gasthof voll belegt. Die folgenden Besitzer konnten das Ansehen des Hauses weiter stärken. Im Ersten Weltkrieg diente das Hotel als Reserve-Lazarett. Zwischen 1926 und 1928 ließ der Besitzer Franz Engel jun. einen Neubau errichten, in dem sich u.a. ein großer, mit einer Junkers-Lamellenkonstruktion überdachter Wintergarten befand. Engel geriet aber in finanzielle Schwierigkeiten. Die Kreissparkasse Dessau, seine Hauptgläubigerin, erwarb den „Goldenen Beutel“ und ließ ihn durch Hoteldirektoren bewirtschaften. Aus dem gutbürgerlichen Gasthof war das beste Hotel der Stadt geworden, in dem u.a. die Gäste der Großbetriebe Dessaus, vor allem der Junkers-Werke einquartiert wurden. 1935 wurde der Hotelier Gustav Bosse als Hoteldirektor eingesetzt und bewirtschaftete den „Goldenen Beutel“ bis zu seiner Zerstörung 1945. In den Nöten der Nachkriegszeit war an einen Wiederaufbau des Hotels nicht zu denken, so dass die Ruine immer mehr verfiel und schließlich abgerissen wurde

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Blick in den mit einer Junkers-Lamellenkonstruktion überdachten Wintergarten (Hotelhalle) des Hotels „Goldener Beutel“ sowie Eingangstür zum Wintergarten, 1928

Richard Hochbaum, Enkel der Familie Bosse, verfasste 1957 eine Chronik des Hotels, die das Stadtarchiv Dessau-Roßlau im Frühjahr 2015 von dessen Sohn als Schenkung erhielt