Innungsprivileg für die Dessauer Böttcher, 1577
Das Antlitz der Stadt Dessau wandelte sich im 16. Jahrhundert grundlegend und nachhaltig. Die Stadt entwickelte sich zur Residenzstadt, in der die fürstliche Familie und der Fürstenhof ständig präsent waren. Das erhöhte die Attraktivität Dessaus für den Zuzug von Menschen aus der ländlichen Umgebung und aus anderen Gebieten des deutschen Reiches. Auch die sehr hohen Geburtenraten jener Zeit trugen zur Erhöhung der Einwohnerzahl Dessaus bei. Die wachsende Zahl der Bewohner musste versorgt werden, so dass sich auch immer mehr Handwerker in Dessau ansiedelten. Die steigende Zahl der Handwerksmeister und weitere Faktoren führten im Verlauf des 16. Jahrhunderts zu wachsendem Konkurrenzdruck und größerer sozialer Differenzierung innerhalb des Handwerks. Eine Reihe von Innungen entstand, teilweise in Anlehnung an früher bereits vorhanden gewesene Handwerkergenossenschaften.
Innungsprivilegien regelten alle Angelegenheiten der Innung nach innen und außen, unter anderem Meisterrecht, Meisterstücke, Aufnahmegebühren, sittlich-moralische Voraussetzungen, Lehre, Rohstoffbeschaffung, Innungsleben, Innungsgerichtsbarkeit, Entlohnung, Anzahl von Gesellen, Innungsgelder, Abgaben usw. Übergreifendes Prinzip dieser Innungsprivilegien war der Zunftzwang, der die Handwerker und die am gewerblichen Leben beteiligte Stadtbevölkerung persönlichen, sachlichen und örtlichen Zwangsmaßnahmen unterordnete. Dadurch sollte potentiellen Konkurrenten der Marktzutritt verwehrt werden, um die Verdienstmöglichkeiten der Innungsgenossen in der Stadt zu sichern. Die Innungsprivilegien mussten von den anhaltischen Fürsten bestätigt werden. Das erste Innungsprivileg im 16. Jahrhundert erhielten die Tuchmacher und Tuchscherer im Jahr 1541. Für insgesamt 18 Innungen sind Innungsprivilegien des 16. Jahrhunderts bekannt. Viele dieser Privilegien befinden sich im Stadtarchiv Dessau-Roßlau. So auch das Innungsprivileg, das Fürst Joachim Ernst von Anhalt den Dessauer Böttchern am 1. Dezember 1577 erteilte. Dieses Innungsprivileg wird im Stadtarchiv Dessau-Roßlau als „Fundstück des Monats“ Juni 2016 präsentiert.