Originalhandschrift des Gedichts „27. Januar 1934“ von Georg Michelsohn (Eli Elkana)

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Originalhandschrift des Gedichts „27. Januar 1934“ von Georg Michelsohn (Eli Elkana), Vorderseite

Einer der ersten, die in Dessau öffentlich und entschieden vor der Gefahr des Faschismus warnten, war der Zahnarzt und Dichter Dr. Georg Michelsohn (1876-1968). Michelsohn stammte aus Königsberg. Im Jahr 1911 eröffnete er in Dessau eine Zahnarztpraxis. Drei Jahre später gehörte er zu denjenigen Deutschen jüdischer Herkunft, die sich bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges, von patrio-tischem Geist beseelt, freiwillig zum Kriegseinsatz meldeten. Doch die grauen-haften Erlebnisse beim Fronteinsatz und die Sinnlosigkeit des Tötens ernüchterten Georg Michelsohn. Er wandelte sich zu einem entschiedenen Gegner des Krieges und wandte sich gegen Ungerechtigkeit, Hass und Machtmissbrauch. Dabei scheute er keine Konflikte, nicht mit den Nazis und, als Zionist, auch nicht mit dem Vorstand der jüdischen Gemeinde, den er verachtete, weil er sich in den Augen des Zahnarztes viel zu sehr assimiliert hatte.

Nach der Rückkehr aus dem Krieg nahm Georg Michelsohn seine Tätigkeit als Zahnarzt in Dessau wieder auf. 1923 promovierte er zum Dr. med. und verlegte danach seine Praxis in das Haus der angesehenen Familie des Lederwaren-händlers Adolf Goldmann in der Kavalierstraße 23. Zwischen den Familien Goldmann und Michelsohn bestand ein herzliches, familiäres Verhältnis. Ein Mittel für Georg Michelsohn, seine Überzeugungen und Gefühle auszudrücken, war die Dichtkunst. 1922 gab er in Dessau unter dem Pseudonym Eli Elkana seinen ersten Gedichtband mit dem Titel „Sonette“ heraus. Viele weitere folgten. In vielen seiner Gedichte drückte Georg Michelsohn seine tiefe Verachtung der Nazis aus und entlarvte deren Absichten und verbrecherischen Machenschaften. Mehrere solcher Gedichte erschienen ab 1930 im „Volksblatt für Anhalt. Als die Nazis am 24. April 1932 in Dessau und am 30. Januar 1933 in ganz Deutschland an die Macht gekommen waren, wurde es sehr bald gefährlich für Michelson. Er floh bereits 1933 über Prag (hier hielt er sich etwa ein Jahr auf) nach Palästina, für ihn als Zionisten das Gelobte Land. Dort lebte er zuerst in Haifa, ab 1935 in Tel Aviv, wo er 1968 im Alter von 92 Jahren starb.

Einige Handschriften und Drucke der Gedichte von Georg Michelsohn befinden sich als Schenkung aus seinem Nachlass seit 2001 in der Wissenschaftlichen Bibliothek der Anhaltischen Landesbücherei, übergeben von Michelsohns Tochter Irene Wight. Auch das Stadtarchiv Dessau-Roßlau verfügt über Originalhand-schriften von Gedichten Eli Elkanas. Sie stammen aus der Familie Goldmann und wurden von Jenny Goldmann-Wahl, einer Tochter Adolf Goldmanns, an Dr. Werner Grossert übergeben. Dr. Grossert hat sich große Verdienste um die Erforschung der jüdischen Geschichte in Dessau erworben und stand und steht mit vielen Dessauer Juden, die den Holocaust überlebten, sowie deren Nachkommen in Kontakt. Seit 2004 darf das Stadtarchiv den Schriftwechsel Dr. Grosserts mit Jenny Goldmann-Wahl verwahren. In diesem Bestand befindet sich das als Fundstück des Monats ausgewählte Gedicht „27. Januar 1934“, das Georg Michelsohn „lachend und weinend“ an dem Tag im Hotel „Bristol“ in Prag schrieb, an dem in Dessau die Verlobung Jenny Goldmanns mit ihrem späteren Ehemann Joseph Wahl gefeiert wurde.